Die Kunst, einander wirklich zu berühren

Weite Horizonte View original article September 1, 2020
Cornelia Weiss in Weite Horizonte Herbstausgabe

Wir Menschen sind soziale Wesen. Wir brauchen Nähe, auch körperliche Nähe, Austausch und das Gefühl, verstanden zu werden und angenommen zu sein. Dann können wir entspannen und einfach wir selbst sein.

Der Schlüssel für jede wirkliche Begegnung ist Präsenz. Das bedeutet, im gegenwärtigen Moment ganz wach da zu sein. Sich also für die tatsächliche Erfahrung zu öffnen, die gerade jetzt ist, statt gedanklich abwesend zu sein oder bei Vorstellungen darüber, wie das Leben sein sollte.

Wie kann das gelingen?
In der Breema-Körperarbeit, bei der über das Körperliche ein ganzheitliches Berühren und Berührtwerden geschieht, gibt es eine wunderbare Einladung: Bevor wir mit dem anderen Menschen in körperlichen Kontakt gehen, dürfen wir innehalten und erst einmal mit uns selbst in Kontakt kommen, zunächst mit unserem eigenen Körper. Wir halten die Aufmerksamkeit beim Atem, beim Gewicht, bei der Haltung.
Wir bringen also Verstand und Körper zusammen. Dadurch werden wir vollständiger in uns selbst. Wir entspannen uns in den gegenwärtigen Moment hinein. Das ist die Praxis während der gesamten Behandlung. Wenn das Gefühl als unterstützende Energie hinzukommt, sind wir in uns selbst geeint und unser Bewusstsein weitet sich. Dann können wir uns selbst und einander frei von vorgefassten Vorstellungen wirklich erleben. Dann findet Berührung auf einer sehr tiefen Ebene unseres Daseins statt.
Eine wirkliche, nährende Berührung, das können auch Momente einer tiefen Verbindung mit der Natur oder mit einem Tier sein. Oder das herzliche Lächeln, das wir im Vorübergehen mit einem Fremden austauschen.
Das kann das Schauen in die Augen sein und die Dichte eines offenen, heilsamen Gesprächs, bei dem beide sich selbst und den anderen wirklich sehen, verstehen und annehmen wollen.

Und das kann natürlich Körperkontakt sein.
Wenn wir genau hinspüren, können wir den Unterschied wahrnehmen zwischen mechanischen Berührungen und Berührungen, die uns wirklich innerlich berühren, weil der andere innerlich wirklich beteiligt ist.
Wie vielen Menschen aber fehlt der Mut oder dasBewusstsein dafür, überhaupt in Körperkontakt zu gehen oder eben wirklich von Herzen daran beteiligt zu sein. Das reicht bis in die nächsten Beziehungen. Das reicht für viele sogar schmerzlich bis in das, was eigentlich „Liebe machen“ sein könnte.
Einander wirklich zu berühren ist eine Kunst. Eine Kunst, die wir lernen können. Sie bringt uns tiefer in Verbindung mit uns selbst und hilft uns, das Leben mit offenem Herzen zu leben.

 

English Translation:

The Art of Truly Touching One Another

by Cornelia Weiß, Psychologist & Breema Instructor

We humans are social beings. We need closeness, including physical closeness, exchange, and the feeling of being understood and accepted. Then we can relax and simply be ourselves.
The key to every genuine encounter is presence. This means being completely awake in the present moment. Opening oneself to the actual experience that is happening right now, instead of being mentally absent or caught up in ideas about how life should be.

How can this be achieved?
Breema bodywork, where holistic touching and being touched occurs on the physical level, offers a wonderful invitation: Before we enter into physical contact with another person, we are allowed to pause and first come into contact with ourselves, initially with our own body. We keep our attention on the breath, on our weight, on our posture.
We bring mind and body together. Through this, we become more complete within ourselves. We relax into the present moment. This is the practice throughout the entire treatment. When feeling comes as a supporting energy, we are united within ourselves and our consciousness expands. Then we can truly experience ourselves and each other free from preconceived notions. Then touch occurs on a very deep level of our existence.
Another example for a truly nourishing touch can also be a moment of deep connection with nature or with an animal. Or the heartfelt smile we exchange passing a stranger. It can be the act of looking into each other's eyes and the closeness of an open, healing conversation, where both want to truly see, understand, and accept themselves and the other.

And of course, it can be physical contact.
When we pay close attention, we can experience the difference between mechanical contacts and touches that truly affect us internally because the other person is actually participating internally.
But many people lack the courage or awareness to even engage in physical contact or to truly participate in it from the bottom of their heart. This affects even our closest relationships. For many, this extends painfully into what could be "making love".
Truly touching one another is an art. An art we can learn. It brings us deeper into connection with ourselves and helps us live life with an open heart.